Wieso Longenarbeit oft falsch verstanden wird

Die Arbeit an der Longe, egal ob einfache Longe oder Doppellonge, wird weitläufig falsch verstanden und unterschätzt. Für viele Reiter bedeutet die Longenarbeit einfach, mal schnell das Pferde bewegen oder es müde schleudern. Ganz im Gegenteil: die Longenarbeit ist ein logischer, sehr wertvoller und fürs Training wichtiger Teil der Arbeit! Einerseits, um eine Verbindung zum Pferd zu entwickeln, andererseits um die Psyche und die Physis eines Pferdes weiter zu stärken und zu trainieren.

Für mich gibt es auch keinen wirklichen Unterschied zwischen Handarbeit und Longenarbeit, denn gerade die Kombination daraus, am Kappzaum, kann Pferd und Reiter enorm nach vorne bringen.

In meiner Arbeit gibt es drei große Zielsetzungen: dies ist in erster Linie psychische Arbeit, das Vertrauen des Pferdes gewinnen, die Kommunikation aufbauen und erste Beweglichkeit erarbeiten. Das geschieht im Longen-ABC, eine Erfindung von Fredy Knie sen.

Der Appell

Das Pferd lernt an der Longen, auf Zuruf in die Mitte zu kommen und auf Zeichen und Kommando wieder hinaus zu gehen. Das Pferd immer wieder aus der Arbeit zu sich in die Mitte zu rufen, stärkt die Verbindung und das Vertrauen. Das junge Pferd lernt nicht wegzulaufen, wenn es Stress hat, sondern in die Mitte zu kommen, in die Herde zu gehen, den Schutz des Alphas anzufragen. Auf diese Art und Weise lassen sich junge Pferde später sehr leicht an der Longe in der großen Halle arbeiten und anreiten. Denn sie haben gelernt, nicht wegzulaufen, sondern sich immer in die Mitte zu orientieren. Somit sind sie natürlich für Hilfen und Kommandos viel offener und immer auf Empfang programmiert. Dies hilft auch, wenn ich mit dem Pferd das erste Mal an der Longe rausgehe, denn es folgt willig und sucht immer die Nähe des Menschen.

Die zweite wichtige Übung ist das Longieren von Volten. Das Pferd lernt sich zu biegen; durch vorsichtiges Anlegen der Peitsche in die innere Gurtlage beziehungsweise Schenkellage unterstützt man diesen Biegeeffekt. Hier lernt das Pferd schon etwas, was es später unter dem Sattel immer wieder braucht. Es muss den innen leicht angelegten Schenkel als biegendes Kommando akzeptieren. Hier beginne ich schon die Körperlichkeit zu trainieren.

Anhalten und Rückwärtsrichten

Das Anhalten und Rückwärtsrichten ist Grundvoraussetzung für das Erarbeiten von Übergängen. Das Pferd muss „Anhalten“ auf der Zirkellinie trainieren. Es sollte in der Lage sein, auf Zeichen des Longenführers aus der Mitte, am Hufschlag rückwärts zu gehen. Das Rückwärtsgehen erarbeitet man am einfachsten zuerst aus dem Appell. Wenn ich das Pferd vor mir habe, weil ich es in die Mitte gerufen habe, kann ich es mit leichten Zeichen nach hinten weichen lassen. Die Übung bringt Respekt, aber unterstützt auch das Vertrauen, wenn man das Pferd dann immer wieder aus dem Rückwärtsrichten zu sich ruft.

Horst Becker bei der Freiarbeit mit Armani

Foto; Diana Michel-Locher

Eine nächste und sehr zentrale Übung ist der seitliche Übertreten an der Hand: Man ruft das Pferd zu sich in die Mitte und lässt es auf einer kleinen Volte, leicht gebogen, um sich herum seitlich übertreten. Und nach ein, zwei Runden Übertreten, schickt man es ruhig zurück auf die Zirkellinie. Nach einigen Wiederholungen wird man beobachten, dass das Pferd sich wunderschön in die Tiefe dehnt wenn man es nach dem Übertreten wieder auf die große Volte zurückschickt.

Das Pferd soll sinnvoll longiert, nicht geschleudert werden

Foto; HB Paradenbuch Crystal-Verlag

Zuerst kombiniert man diese Übung nur mit Schritt, später lässt man im Schritt übertreten und schickt das Pferd im Trab hinaus. Nach einigen Wochen üben kann man das Pferd auch im Trab leicht übertreten lassen, auf einer größeren Volte, und beim Rausschicken und Abwenden auf die Zirkellinie mit einem kleinen Ruck an der Longe angaloppieren lassen. Und wenn man diese Übung wirklich konzentriert und konsequent geduldig aufbaut, ist das Pferd sogar in der Lage, im Galopp an der Hand überzutreten.

Die Dehnung der Oberlinie und Stärkung der Rumpfträger

Diese Übung hat einige Facetten in den Auswirkungen, die uns später unter dem Sattel helfen und welche die körperlichen Voraussetzungen für die Arbeit unter dem Sattel herrlich entwickeln. Beim seitlichen Übertreten im Schritt verdrehen sich die langen Rückenmuskeln regelmäßig gegeneinander. Das geschieht, weil die Vorhand auf einem kleinen Zirkel läuft und die Hinterhand auf einem größeren Zirkel. Durch die unterschiedlichen Frequenzen zwischen Hinterhand und Vorhand wird diese Verdrehung im Rücken ausgelöst. Dieser Effekt wirkt in erster Linie lösend auf die Oberlinie, so dass das Pferd sich mit der Zeit sehr schön und frei tragend vorwärts-abwärts dehnt. Im zweiten Schritt, wenn man das seitliche Übertreten mehr steigern kann, weil das Pferd es mittlerweile umsetzen kann, wird die seitliche Bauchmuskulatur aktiviert, die Rumpfträger sozusagen gestärkt. Genau dieser Effekt, die Dehnung der Oberlinie und die Stärkung der Rumpfträger, machen ein gutes Reitpferd aus.

Aus dieser Arbeit heraus entwickelt sich immer eine gute Galopp-Kultur, die wiederum viel Muskelaufbau an den richtigen Stellen auslöst und somit wiederum einen sehr großen, positiven Effekt auf die spätere Reitqualität des Pferdes hat.

Im rhythmischen Takt

Selbstverständlich achte ich darauf, dass mein Pferd nicht rennt oder meine Longenarbeit eine Schleudertechnik hat, sondern dass das Pferd in seinem Takt rhythmisch gleichmäßig dahin joggt.

Pferde an der Longe zu schleudern, ja rennen zu lassen, erhöht einfach nur die Umsätze der Tierärzte, Tierkliniken, Physiotherapeuten und Osteophaten.

Es hat aber keinerlei positive Wirkung auf das Pferd. Denn ein müdes Pferd ist ein unkonzentriertes Pferd, denn der Geist ist meist vor dem Körper müde.

Auch Springen und Cavalettiarbeit lässt sich ins Longen- oder Doppellongentraining einbauen, auch dies fördert und verbreitet den Horizont des Pferdes.

Geht es um Takt und Anlehnung, empfehle ich die Doppellongenarbeit. Doppellongenarbeit ist reiten vom Boden aus. Man treibt ruhig und konsequent das Pferd mit der Präsenz des eigenen Körpers in die Anlehnung, nicht mit der Peitsche oder mit hektischen Stimmkommandos. Auch hier gilt:

Kraft und Erfolg kommen aus der konzentrierten Ruhe und dem taktmäßigen Gleichmass.

Armani an der Longe


Weiterführende Literatur von Horst Becker

IFrameIFrame


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